Leukämietherapie

Leukämietherapie - So vielfältig, wie die Formen der Krankheit

In den letzten Jahren ließen verbesserte Heilungschancen bei Blutkrebs aufhorchen, vor allem bei chronischen Leukämien. Mit seinem Team am Klinikum Wels-Grieskirchen gilt Onkologe Josef Thaler als österreichischer Vorreiter in der Erforschung der formenreichen Erkrankung. Im molekularen Tumorboard wird für jeden Leukämiepatienten die bestmögliche Therapie geplant. Das Vorantreiben schonender, effektiver Behandlungsmethoden bedingt umfangreiche klinische Studien. Für seine regelmäßige Teilnahme daran wurde das Klinikum erst kürzlich international ausgezeichnet. 

„Leukämie ist eine Erkrankung des blutbildenden Systems. Konkret handelt es sich um die vermehrte Bildung von weißen Blutkörperchen, den Leukozyten, und ihrer Vorstufen. Diese breiten sich primär im Knochenmark aus“, erklärt Josef Thaler, Leiter der Abteilung für Innere Medizin IV mit den Schwerpunkten Hämatologie, internistische Onkologie und Palliativmedizin, Nephrologie und Dialyse am Klinikum Wels-Grieskirchen. Vom Knochenmark aus werden unreife Zellen ins Blut geschwemmt und siedeln sich in verschiedenen Organen an. Leukämiezellen finden sich dann unter anderem in Blut, Knochenmark, Lymphdrüsen, Leber und Milz. Unterschieden werden akute Leukämien, die unbehandelt in kurzer Zeit tödlich verlaufen, sowie chronische Leukämien. Symptome zeigen sich in Form von körperlicher Schwäche, Blutungen in der Haut oder Schleimhaut, schweren Infektionen, Müdigkeit oder Durchblutungsstörungen. Wichtig ist ein rascher Behandlungsbeginn, genau abgestimmt auf das Krankheitsbild. Der Formenkreis der Leukämie ist äußerst vielfältig: 

 

Formen der Leukämie

 

 

„Die Anzahl der funktionstüchtigen Blutbestandteile nimmt ab. Wichtige Aufgaben des Blutes können nicht mehr erfüllt werden.“

Prim. Univ-Prof  Dr. Josef Thaler
Leiter der Abteilung für Innere Medizin IV
am Klinikum Wels-Grieskirchen

 

Zukunftsträchtige Therapien

Mit Ausnahme der Stammzelltransplantation wird in Wels heute das gesamte Spektrum der Leukämietherapie angeboten. „Bei den akuten Formen ist die Heilung, bei den chronischen Formen die lange Kontrolle der Erkrankung das Ziel“, so die Spezialistin. Vielversprechend sind heute vor allem die zielgerichteten Therapien, die „Targeted Therapies“. Anders als bei herkömmlichen Methoden, etwa der Chemotherapie, werden hier Krebszellen gezielt angegriffen, normales Gewebe weitgehend geschont. Wirkstoffe, wie zum Beispiel Antikörper, richten sich gegen ausgewählte Angriffspunkte der Krebszelle. Möglich wird das durch ein „Profiling“ der spezifischen Eigenschaften der Krebszelle: Durch umfangreiche molekulare Untersuchungen wird eine auf den Patienten zugeschnittene – personalisierte – Medizin möglich, welche die Signalwege der Krebszelle unterbricht und das Wachstum des Tumors stoppt. Durch die Fokussierung auf die Krebszelle bleiben viele herkömmliche Nebenwirkungen aus. Das „Profiling“ der Krebszelle geschieht am Klinikum im molekularen Tumorboard.

 

Sonja Heibl

 

„Sowohl auf diagnostischer als auch auf therapeutischer Ebene sind in der Hämatologie große Fortschritte gelungen“

OÄ Dr. Sonja Heibl
Abteilung für Innere Medizin IV
am Klinikum Wels-Grieskirchen

 

Molekulares Tumorboard am Klinikum

Um für Leukämiepatienten die jeweils bestmögliche Therapie zu finden, wurde gemeinsam mit dem Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik ein molekulares Tumorboard für hämatologische Erkrankungen etabliert. Hier werden im Zuge der Diagnostik modernste analytische Techniken eingesetzt. Diese umfassen neben der Hightech-Blutbildanalytik und mikroskopischen Zelldifferenzierung von Blut und Knochenmark auch hochspezifische Verfahren wie die Flowzytometrie sowie Next Generation Sequencing (NGS) zur Detektion somatischer Mutationen. „Unter Einbeziehung aller vorliegenden Befunde können im Tumorboard entscheidende Weichenstellungen für die Diagnose, Therapieplanung und Prognose der an Leukämie erkrankten Patienten vorgenommen werden“, sagt Alexander Haushofer, Leiter des Instituts für Medizinische und Chemische Labordiagnostik am Klinikum Wels-Grieskirchen.

 

 Alexander Haushofer

 

„Unter Einbeziehung aller vorliegenden Befunde können im Tumorboard entscheidende Weichenstellungen für die Diagnose, Therapieplanung und Prognose der an Leukämie erkrankten Patienten vorgenommen werden“

Prim. Univ.-Doz. Dr. Alexander Haushofer
Leiter des Instituts für medizinische und chemische Labordiagnostik
am Klinikum Wels-Grieskirchen

Auszeichnung für Onkologisches Studienzentrum Wels

Um moderne Leukämietherapien weiter voranzutreiben, sind umfangreiche Studien notwendig. Unter der Leitung von Josef Thaler nimmt die Abteilung für Innere Medizin IV regelmäßig an hämatoonkologischen und nephrologischen klinischen Studien teil. Zur Unterstützung steht dafür ein eigenes Studiensekretariat zur Verfügung, welches aktuell über 40 verschiedene sowie über 30 akademische Forschungsprojekte in unterschiedlichen Indikationen mitbetreut. Für die gute Arbeit bei einer dieser Studien, der „CLL Studie Protocol IPI-145-07“, wurde das Klinikum nun mit einem Site Appreciation Award ausgezeichnet. Weltweit nahmen 77 Studienzentren teil. Insgesamt wurden 3.000 Patienten mit einer chronisch lymphatischen Leukämie in die Studie eingeschlossen. Untersucht wurde die Wirksamkeit einer neuen zielgerichteten Substanz im Vergleich zu einer etablierten Antikörpertherapie. Das Prüfmedikament wurde in den USA bereits zugelassen und kann nun außerhalb von klinischen Studien verordnet werden.

Weiterführende Informationen zu den zukunftsträchtigen Leukämietherapien

Zielgerichtete Therapie am Beispiel der chronisch myeloischen Leukämie (CML) 
Die Behandlungsmöglichkeiten der CML haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch verbessert. Durch Tyrosinkinaseinhibitoren (Imatinib, Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib, Ponatinib), kurz TKI, ist heute eine sehr gute langfristige Behandlung möglich. Die Substanzen greifen direkt an der krankheitsverursachenden Kinase an und blockieren somit das ungebremste Wachstum der Leukämiezellen. Grundsätzlich sind TKI gut verträglich, wobei sich die einzelnen Substanzen im Nebenwirkungsprofil unterscheiden. Wenn mit der TKI-Therapie die Erkrankung anhaltend über viele Jahre unterdrückt werden kann und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Therapie bei einem Teil der Patienten dauerhaft abgesetzt werden. Mit der TKI-Therapie hat sich die Lebenserwartung der Patienten signifikant verbessert und unterscheidet sich kaum von jener der Normalbevölkerung. 

Antikörpertherapie und chemotherapiefreie zielgerichtete Therapie am Beispiel der CLL
Monoklonale Antikörper, wie Rituximab oder Obinutuzumab, erkennen bestimmte Oberflächenmoleküle auf Zellen und können diese gezielt angreifen. In Kombination mit einer Chemotherapie haben diese sowohl das Ansprechen des Patienten auf die Behandlung an sich als auch die Dauer des Ansprechens deutlich verbessert. Die Entwicklung zielgerichteter Substanzen, wie beispielsweise BTK-Inhibitoren (Ibrutinib) oder BCL-2-Inhibitoren (Venetoclax), haben die therapeutischen Möglichkeiten deutlich erweitert. BTK-Inhibitoren scheinen die klassische Chemotherapie in der Erstlinienbehandlung bei der CLL abzulösen.

Bispezifische Antikörper verbessern das Überleben bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL)
Durch den Einsatz von bispezifischen Antikörpern (BiTE – bispecific Tcell engager), die auf der einen Seite T-Zellen und auf der anderen Seite über ein Oberflächenmolekül die Leukämiezelle erkennen, kann das Überleben von Patienten mit ALL verbessert werden. Sie werden bei Versagen der klassischen intensiven Chemotherapie oder bei Vorliegen einer minimalen Resterkrankung (MRD) nach intensiver Chemotherapie eingesetzt.

 

Site Appreciation Award
Als „das beste Zentrum der Welt" bezeichnete Nadja Grübel von Syneos Health, Partner in der Studienauftragsforschung, ihre Ansprechpartner im Klinikum Wels-Grieskirchen. Sie überreichte den Preis an Studienleiterin OÄ Dr. Sonja Heibl, die beteiligten Prüfärzten (stellvertretend am Foto Dr. Vera Trommet, MSc) und die Studienkoordinatorinnen Katharina Schmied, Isabella Rauscher und Teresa Bogensperger.