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Wie interventionelle Radiologie Operationen ersetzen kann

Radiologie bedeutet mehr als Röntgen, MRT oder CT. Mit minimalinvasiven Verfahren werden heute zahlreiche Erkrankungen behandelt, die früher aufwendige Operationen erforderten – präzise, schonend und oft als eine sichere Alternative zur klassischen Chirurgie.

Prim. Prof. Dr. René Müller‐Wille

„Wir nutzen interventionelle Radiologie, um Erkrankungen zu behandeln, die früher aufwendige Operationen erforderten. Das ist besonders für ältere und geschwächte Patienten ein enormer Vorteil."

 Prim. Prof. Dr. René Müller-Wille, Leiter des Instituts für Radiologie, Klinikum Wels-Grieskirchen

 

Verengte Gefäße wiedereröffnen

Arteriosklerose, eine Verengung oder ein Verschluss der Arterien, kann schwerwiegende Folgen haben – von Schwindelattacken über Schmerzen in Bauch oder Beinen bis hin zum Schlaganfall. „Dank moderner Kathetertechniken können wir verstopfte Gefäße unter örtlicher Betäubung über einen kleinen Zugang in der Leiste wiedereröffnen. Wir verwenden unter anderem medikamentenbeschichtete Ballonkatheter oder Gefäßstützen, besser bekannt als Stents. Das ist für die Patienten deutlich weniger belastend als eine Operation“, so Müller-Wille. In Wels kommen dabei innovative Verfahren wie die intravaskuläre Lithotripsie zum Einsatz. „Mit energiereichen Stoßwellen beseitigen wir selbst starke Verkalkungen in den Gefäßen. Das verbessert die Behandlungsergebnisse erheblich. Durch ein Blutgerinnsel verursachte akute Arterienverschlüsse können durch unser Interventionsteam mittels computerassistierter Vakuumaspiration jederzeit präzise und schonend absaugt werden.“

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Behandlung einer stark kalzifizierten Verengung der Oberschenkelarterie mittels intravaskulärer Lithotripsie (ILV) 

Leben retten bei Aneurysmen und Venenverschlüssen

Ein Aortenaneurysma – die krankhafte Aussackung der Hauptschlagader – ist vor allem bei älteren Menschen gefährlich. Überschreitet die Bauchaorta einen Durchmesser von 5,5 Zentimetern, erhöht sich das Blutungsrisiko deutlich. „Anstatt den Bauchraum operativ zu öffnen, setzen wir einen Endostent über die Leistenarterien in das Aneurysma ein. Die sogenannte EVAR-Methode ist für die meisten Betroffenen deutlich sicherer als ein klassischer offener Eingriff“, erläutert der RadiologiePrimar. Auch bei verengten oder verschlossenen Venen wie sie durch Tumore, Verletzungen oder Blutgerinnsel entstehen können, helfen minimalinvasive Eingriffe. Entstehen durch Venenverschlüsse massive Schwellungen von Gesicht, Armen oder Beinen können am Klinikum neuartige Venenstents gezielt Abhilfe schaffen.

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Interventionelle Versorgung eines Aortenaneurysmas mittels Endoprothese (EVAR) 

 

Gezielter Verschluss von Blutgefäßen (Embolisation)

Manche Erkrankungen können durch einen gezielten Eingriff behandelt werden, bei welchem Blutgefäße mithilfe eines dünnen Katheters verschlossen werden. Diese Methode der Embolisation eignet sich beispielsweise, um eine blutende Arterie mit einer winzigen Metallspirale, einem sogenannten Coil, zu verschließen. Je nach Art der Erkrankung kommen unterschiedliche Materialien und Techniken zum Einsatz. So wird die Embolisation mit kleinen Partikeln etwa zur Behandlung von Uterusmyomen, einer vergrößerten Prostata oder Leberkrebs genutzt, während flüssige Substanzen bei Beschwerden wie dem Pelvic Congestion Syndrom oder angeborenen Gefäßfehlbildungen eingesetzt werden. Diese minimalinvasive Methode bietet eine schonende und effektive Alternative zu chirurgischen Eingriffen.

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Mit minimalinvasiven Verfahren der interventionellen Radiologie können Erkrankungen präzise und schonend behandelt werden – oft als eine sichere Alternative zur klassischen Chirurgie, besonders für ältere und geschwächte Patienten.

Vielseitige Behandlungen ohne OP

Erhöhter Blutdruck in der Pfortader, der bei schweren Leberschäden wie Leberzirrhose auftritt, kann zu ernsthaften Komplikationen wie Bauchwasserbildung oder gefährlichen Blutungen führen. „In diesen Fällen schafft eine minimalinvasive Behandlung Abhilfe: Über die Halsvene legen wir eine künstliche Verbindung zwischen Pfortader und Lebervene an, um den Druck zu senken“, erklärt Spezialist Müller-Wille.

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Implantation eines Stentgrafts zwischen Pfortader und Lebervene (TIPS)

 

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für schnelle und schonende interventionelle Radiologie kommt bei einem Galleaufstau, der durch Tumore oder Gallensteine verursacht wird, zum Tragen. „Über winzige Zugänge legen wir Drainagen oder Stents, um den Fluss der Galle wiederherzustellen“, so der Radiologie-Primar.

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PTCD zur Entlastung der Gallenwege bei Cholestase

 

Auch eitrige und infizierte Flüssigkeitsansammlungen (Abszesse) können mittels Ultraschalles und Computertomographie schonend mit Drainagen versorgt werden, ohne dass ein großer Eingriff notwendig ist.

In der Behandlung von stellt die minimalinvasive Radiologie über die Thermoablation eine gezielte Methode dar: „Dabei platzieren wir eine Sonde direkt im Tumor und zerstören das Gewebe durch Hitze oder Kälte“, erklärt Müller-Wille. Am Klinikum werden über diese Technik Tumore der Leber, Niere und Knochen behandelt – präzise und mit minimalen Risiken.

Bereits seit Jahren ist die perkutane Schmerztherapie bei Rückenschmerzen etabliert. „Mit Hilfe der Computertomographie werden kleine Nadel direkt an die schmerzenden Zwischenwirbelgelenke oder Nervenfasern am Rücken platziert“, erklärt der Spezialist. „Über diese Nadeln werden dann schonend schmerzlindernde Medikamente injiziert.“

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CT-Intervention zur gezielten Therapie bei Rückenschmerzen

Fortschritt für Patienten

Durch den Einsatz innovativer minimalinvasiver Techniken zeigt die moderne Radiologie, wie präzise High-Tech-Medizin heute funktioniert – oft mit kürzeren Krankenhausaufenthalten und schnellerer Genesung. „Das Ziel ist immer, die Belastung für die Patienten so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig eine maximal wirkungsvolle Therapie zu bieten“, fasst Müller-Wille zusammen.

 

Stand: Dezember 2024

Bildquelle:  © Klinikum Wels-Grieskirchen / Nik Fleischmann