KWG_Physiotherapie_Beckenboden © Klinikum Wels-Grieskirchen / Nik Fleischmann

Bei Inkontinenz: Training statt OP

Der Welt-Inkontinenz-Tag am 30. Juni zielt als jährliche Initiative darauf ab, das Bewusstsein für Blasenschwäche oder Beeinträchtigungen des Beckenbodens zu schärfen. Mit Schwerpunktaktionen, Veranstaltungen und Presseinformationen wird für das sensible Thema globale Sichtbarkeit geschaffen. Nach Angaben des Berufsverbandes der Urologen sind in Österreich etwa 850.000 Frauen und Männer von einer Form der Inkontinenz betroffen und dadurch massiv in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Viele von ihnen leiden unter Harn- oder Stuhlverlust, weil ihr Beckenboden schwach ist. Das Leistungsspektrum des interdisziplinär ausgerichteten, zertifizierten Beckenbodenzentrums am Klinikum Wels-Grieskirchen umfasst die Abklärung und Behandlung aller Formen von Erkrankungen des Beckenbodens und Senkungsbeschwerden.

Viele Menschen in Österreich nehmen Blasenschwäche in Kauf: Harninkontinenz ist oftmals mit Scham behaftet und wird nicht als Erkrankung, sondern als persönlicher Kontrollverlust gewertet. In manchen Fällen führt Inkontinenz zu sozialer Isolation, da Betroffene das Haus nur noch für die notwendigsten Erledigungen verlassen.

Hilfe in Reichweite: Mut fassen und sich beraten lassen

"Auch, wenn es vielen anfangs schwer fällt, darüber offen zu sprechen: Eine Lösung des Problems ist nur über die Kontaktaufnahme zu einem spezialisierten Ansprechpartner möglich", erklärt Martina Strobl, Koordinatorin des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums am Klinikum Wels-Grieskirchen.

OÄ Dr. Martina Strobl © Klinikum Wels-Grieskirchen

"Es gibt viele Möglichkeiten zur Vorsorge, Therapie und Unterstützung bei Inkontinenz, um den Alltag und die Lebensqualität Betroffener zu verbessern. Sprechen Sie Ihren Hausarzt darauf an – bei Bedarf wird er Sie an einen Facharzt bzw. an spezialisierte Physiotherapeuten im niedergelassenen Bereich überweisen. Komplexe Fälle werden von Fachärzten an das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum am Klinikum zugewiesen."

OÄ Dr. Martina Strobl, Koordinatorin des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums am Klinikum Wels-Grieskirchen

 

Durchschnittlich sind mehr Frauen als Männer von der Problematik betroffen. "Auslöser für eine Beckenbodenschwäche sind zum Beispiel Schwangerschaften", so Strobl. Aber auch Operationen, Übergewicht, die Menopause oder ein altersbedingtes Schwächerwerden der Beckenbodenmuskulatur und Beckenbindegewebes spielen eine große Rolle. "Wenn im Alltag, zum Beispiel beim Heben schwerer Einkaufstaschen oder beim Stiegensteigen, ungewollt ein Harnstrahl abgeht, ist es höchste Zeit, sich professionell beraten zu lassen", macht Strobl Betroffenen Mut, sich über Therapieoptionen zu informieren. "Spätestens, wenn der subjektive Druck zu hoch ist, sollte unbedingt eine Therapie gestartet werden."

Training gegen
Beckenboden-
schwäche

Nicht die Operation oder andere invasive Methoden sind bei einer Beckenbodenschwäche die erste Therapie.

Manuela Ganglbauer, MSPhT © Klinikum Wels-Grieskirchen

 

"Viele sind erstaunt, dass die konservative Beckenbodentherapie in Form von aktiven Übungen und Verhaltensmaßnahmen die erste Wahl der Behandlung ist."

Manual Ganglbauer, MSPhT, Physiotherapeutin, Institut für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation, Klinikum Wels-Grieskirchen

 

"Wichtig dabei ist die Anleitung durch spezialisierte Physiotherapeuten." Auch die Kenntnis von Aufbau und Funktion des Beckenbodens fördert das Verständnis für die Effektivität eines physikalischen Trainings. "Der Beckenboden ist in unterschiedlichen Schichten aufgebaut", erklärt Ganglbauer. "Die innere Muskelschicht reicht vom Schambeinknochen bis zum Steißbein und zu beiden Sitzbeinhöckern. Die Schicht in der Mitte spannt ein Dreieck zwischen den Sitzbeinhöckern und den Schambeinästen und verschließt den vorderen Bereich des Beckens. Die äußere Schicht formt eine Acht um die Körperöffnungen und integriert die Schließmuskeln des Afters und der Harnröhre. Eine Schwächung, Dehnung oder Verspannung kann zu Funktionsstörungen bzw. einem unkontrollierten Harn- oder Stuhlverlust führen." Professionell angeleitetes Beckenbodentraining und das geübte An- und Entspannen – auch mit dem Einsatz von Biofeedback – sind eine wichtige Grundlage für die konservative Therapie. Erst wenn dadurch das gewünschte Ergebnis nicht  erzielt wird, werden medikamentöse Behandlungsformen oder ein operativer Eingriff erwogen.

Gesicherte Qualität im zertifizierten Kompetenzzentrum

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Gynäkologie, Urologie, Allgemeinchirurgie und Physikalische Medizin zeichnet das nach den strengen Kriterien der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) zertifizierte Kontinenz- und Beckenbodenzentrum am Klinikum Wels-Grieskirchen aus. Durch die enge Kooperation der Fachbereiche ist das gesamte Behandlungsspektrum bei Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Senkungsbeschwerden abgedeckt, eine umfassende Abklärung und Behandlung sowohl konservativ als auch operativ ist möglich.

 

Stand: Juni 2024