Intensivmediziner begleitet Ultraradsportler Strasser durch Amerika
Ganze zwei Wochen seines Urlaubs investierte Florian Wimmer, Anästhesist und Intensivmediziner am Klinikum Wels-Grieskirchen, diesen Sommer, um Ultraradsportler Christoph Strasser quer durch Amerika zu begleiten. Eine grenzwertige Erfahrung – im wahrsten Sinne des Wortes.
Bereits zum vierten Mal fährt der Steirer Christoph Strasser als eindeutiger Sieger des Race Across America der Konkurrenz auf und davon. „Er hat 2017 wiederum mit Abstand gewonnen – seinen Erfolg möchte ich mir aber mit Sicherheit nicht auf meine Fahnen heften“, gibt sich Florian Wimmer als Strassers medizinischer Betreuer bescheiden. „Er ist vielmehr ‚eine andere Liga‘, deutlich professioneller und mit seinen 33 Jahren vor allem auch jünger als andere Ultraradsportler.“ Denn normalerweise ist diese Form des Extremsports erst ab einem Alter von 40 Jahren möglich. „Die Vorbereitung auf so ein Rennen dauert eigentlich mehrere Jahre“, erklärt der Arzt, der selbst jedes Jahr mindestens 5000 Kilometer per Rad zurücklegt und im Winter gerne Skitouren unternimmt. „Am Anfang des Ultraradsports stehen 12 Stunden-, später 24-Stunden-Rennen, dann Rennen über mehrere Tage. Aber solche Anstrengungen kann man körperlich nur schwer trainieren, die mentale Komponente wird dann immer wichtiger.“
Medizinische Betreuung
Die medizinische Betreuung war Wimmers Hauptaufgabe während des Race Across America. 2015 kam beim Radrennen quer durch Amerika das Aus für Strasser aufgrund pulmonaler Probleme. „Wenn bis zu 30 Liter in 24 Stunden getrunken werden, fängt der Körper an Wasser einzulagern“, so der Notfallmediziner. „Deshalb ist zum Teil eine Flüssigkeitsrestriktion notwendig.“ Nicht nur hinsichtlich der Flüssigkeitszufuhr ähnelt die Betreuung eines Ultraradfahrers der eines Patienten auf der Intensivstation. „Bei Temperaturen bis 45 Grad ist die Belastung der Atemwege auch nicht zu unterschätzen. Auch andere gesundheitliche Probleme können auftreten: „Diese reichen von Hautproblemen am Gesäß, aber auch im Gesicht durch die Sonneneinstrahlung bis hin zu Gefühlsstörungen an Händen und Füßen sowie Problemen mit der Feinmotorik, die man aber weniger medizinisch als physiotherapeutisch beeinflussen kann.“
Schlafentzug
Mit nur einer Stunde Schlaf am Tag hat sich Extremradler Christoph Strasser während des Rennens begnügt. „Den ersten Powernap von 17 Minuten hat er sich nach ca. 30 Stunden im Einsatz gegönnt, die erste längere Schlafpause dann nach 40 Stunden.“ Wimmer begleitet ihn in der Tagschicht, die zwischen zwei und vier Uhr früh beginnt. Vom Pacecar aus versorgt er den Sportler mit Trinknahrung und Elektrolyttabletten. Alle 30 Stunden kontrolliert der gebürtige Tiroler Strassers Gewicht und Blutbild. In 24 Stunden trinkt Strasser zehn bis 22 Liter und nimmt 8.000 bis 11.000 Kalorien zu sich. „Bereits drei Tage vor dem Rennen muss er sich auf die Flüssignahrung umstellen“, erklärt Wimmer. „Nach drei bis vier Tagen brauchen viele Teilnehmer irgendeine feste Nahrung zum Kauen – Strasser schafft das auch ohne!“ Strassers Kondition und mentale Stärke zeigen sich auch nach seinem Sieg um zwei Uhr in der Früh: „Er war zwar müde, aber nach nur ca. viereinhalb Stunden Schlaf war er am nächsten Tag schon wieder recht fit“, staunt Wimmer.
Auch Mediziner müssen zeitweilen mit wenig Schlaf auskommen: Doch der zweifache Familienvater weiß sein Leben als Arzt sehr zu schätzen. „Nach einem vierjährigen Ausflug in die Privatwirtschaft freue ich mich, nun seit beinahe zehn Jahren für unser Schwerpunktkrankenhaus tätig zu sein.“ Warum er sich für sein Fach entschieden hat? „Die Anästhesiologie und Intensivmedizin deckt ein sehr breites Feld ab, vom OP über den Intensivbereich bis hin zur präklinischen Notfallmedizin. Nirgends ist es spannender, oft geht es in Sekunden um Leben und Tod.“ Wovor er Angst hat? „Angst nicht – großen Respekt habe ich vor Kindernotfällen, die kommen aber Gott sei Dank selten vor. Schwer ist hier vor allem die emotionale Komponente. In der Regel haben wir es mit internistischen Notfällen bei Erwachsenen zu tun.“