Warum manche Menschen schwer an COVID‐19 erkranken
In einer internationalen Forschungszusammenarbeit mit Welser Beteiligung ist der Nachweis gelungen, warum manche Menschen schwerer an COVID‐19 erkranken als andere. Unter der Leitung der Oberösterreichischen Forscherin und Kardiologin Bettina Heidecker von der Charité Universitätsmedizin Berlin leistete das Klinikum Wels‐Grieskirchen einen wichtigen Beitrag dazu. Die Studienergebnisse können in Zukunft helfen, das Risiko von Coronapatienten für einen schweren Verlauf schneller abzuschätzen.
„Bereits zu Beginn der Pandemie zeigte sich, dass manche Menschen bei einer Infektion mit SARS‐CoV‐2 nur ganz leichte Beschwerden entwickeln oder sogar asymptomatisch bleiben, wohingegen andere schwer erkranken oder sogar daran versterben“, erklärt Ronald Binder, Leiter der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie und Intensivmedizin, am Klinikum Wels‐Grieskirchen. Rasch konnten Faktoren identifiziert werden, die mit einem schweren Krankheitsverlauf verbunden sind – wie höheres Alter, männliches Geschlecht, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes oder relevante Vorerkrankungen.
„Trotzdem waren wir immer wieder überrascht, wenn jüngere, gesunde Menschen schwer erkrankten oder ältere, gebrechliche Patienten den Infekt ohne relevante Beschwerden überstanden.“
Prim. Priv.‐Doz. Dr. Ronald K. Binder
Leiter der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie und Intensivmedizin
Um dieses Phänomen weiter zu untersuchen, ging das Klinikum Wels‐Grieskirchen eine internationale Forschungskollaboration unter der Leitung der Charité Berlin ein. Vor Ort in Oberösterreich wurde die Studie von Kathrin Danninger, Fachärztin der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels‐Grieskirchen, betreut.
Bahnbrechende Erkenntnisse
Nach Aufklärung und Zustimmung wurden Patienten, die leicht oder schwer an COVID‐19 erkrankten, einer genetischen Analyse unterzogen, um herauszufinden, ob es bestimmte Merkmale des eigenen Immunsystems waren, welche den Krankheitsverlauf beeinflussten. „Die Ergebnisse der wissenschaftlichen genetischen Untersuchungen waren erstaunlich“, erklärt der Welser Kardiologie‐Primar. „Es wurde eine Rezeptorvariante an der Oberfläche von weißen Blutkörperchen gefunden, das sogenannte HLA‐C* 04:01 Allel, welches mit einem schweren Verlauf bei einer COVID‐19‐Erkrankung assoziiert ist.“ Etwas mehr als zehn Prozent aller Österreicher sind Träger dieser Variante und haben dadurch im Falle SARS‐CoV‐2‐Infektion ein zweifach erhöhtes Risiko für die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung mit künstlicher Beatmung.
Laut Binder wäre es in Zukunft vorstellbar, Patienten mit COVID‐19 auf diese Genvariante zu untersuchen, um eine frühe und bessere Risikostratifizierung vorzunehmen. „Diese HLA‐Variante wurde schon früher mit einem schweren Verlauf einer HIV‐Infektion in Zusammenhang gebracht und scheint eine wichtige Rolle bei der Abwehr und beim Schweregrad von Viruserkrankungen zu spielen“, so der Experte. „Im Namen der gesamten Abteilung bedanke ich mich bei allen Patienten, die uns ihr Vertrauen entgegengebracht und durch ihre Teilnahme diese Studie erst möglich gemacht haben.“
Stand: September/2021