Wenn die Seele durch den Körper spricht
Sich den Kopf zerbrechen, die Nase voll haben, eine Last auf den Schultern tragen – der Volksmund formuliert die Zusammenhänge von Psyche und Körper deutlich. Kann bei Verdauungsproblemen, chronischen Schmerzen oder Herzbeschwerden keine körperliche Ursache festgestellt werden, stehen am Department für Psychosomatik am Klinikum-Standort Grieskirchen psychosoziale Faktoren im Fokus.
Mit einem einfachen Experiment macht Departmentleiterin Andrea Mühlbacher die unmittelbare Reaktion des Körpers auf bloße Vorstellungskraft deutlich: „Geben Sie online den Suchbegriff Zitrone ein! Werfen Sie einen Blick auf das erste Bild, schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, wie Sie in diese gelbe, saftige Zitrone beißen!“ Die Reaktion erfolgt prompt: mehr Speichel, ein Schauer, manche verziehen das Gesicht. „Sie sehen, dass Körper, Geist und Seele untrennbar miteinander verbunden sind“, so Mühlbacher. Am Department für Psychosomatik arbeiten Expertenteams mit Patienten, deren Krankheitsbilder durch diese Wechselwirkungen geprägt sind. „Dabei orientieren wir uns am biopsychosozialen Modell“, sagt Mühlbacher. Neben körperlichen werden auch psychische und soziale Faktoren miteinbezogen. „Wir sehen uns zum Beispiel an, wie der Patient mit Problemstellungen umgehen kann oder wie sich familiäre und berufliche Lebensbedingungen gestalten.“
„Körper, Geist und Seele sind untrennbar miteinander verbunden.“
Primaria Dr. Andrea Mühlbacher
Leiterin des Departments für Psychosomatik für Erwachsene am Klinikum Wels-Grieskirchen
Alles nur Einbildung?
„Ein Beispiel aus der Gruppe der somatoformen Störungen ist die Herzphobie – die Angst, einen Herzstillstand oder einen Herzinfarkt zu erleiden, ohne dass eine körperliche Grunderkrankung besteht“, erklärt die Departmentleiterin. Dieses Gefühl kann zu tatsächlichen Störungen des Herz-Kreislauf- und Atemsystems führen. „Angst versetzt unseren Körper in Alarmbereitschaft. Die aktivierten Botenstoffe führen zu Herzrasen, Atemnot oder Angstschweiß. Auf diese körperlichen Symptome reagieren die Betroffenen wiederum mit Angst, worauf der Körper erneut reagiert. Daraus kann sich ein Teufelskreis entwickeln.“ Charakteristisch für die zweite Gruppe, die Somatisierungsstörungen, sind wechselnde körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme, Atemnot, Harndrang, Schmerzen oder Taubheitsgefühle – ebenfalls ohne ausreichende körperliche Ursache. Viele Patienten fragen sich, ob die Beschwerden nur eingebildet seien. Die Expertin verneint: „Sie sind real und für die Betroffenen sehr belastend. Berufsleben, Familie und Freizeitgestaltung leiden unter erheblichen Einschränkungen, Depressionen und Angststörungen können die Folge sein.“
Langer Weg zur Diagnose
Rund zehn Prozent der Bevölkerung sind betroffen, oft Menschen mit hohem Leistungsanspruch. Durchschnittlich vergehen sieben Jahre bis zur Diagnosestellung. „Die Störungen imitieren körperliche Erkrankungen und machen wiederholte Abklärungen notwendig. Dabei ist es für die Betroffenen frustrierend, immer wieder zu hören, es würde ihnen nichts fehlen. Interessant ist, dass die jeweiligen Symptome eine Funktion erfüllen, sie können zum Beispiel eine Erlaubnis für eine Pause sein“, sagt Mühlbacher. Dann ist eine Abklärung am Department für Psychosomatik wichtig, die Überweisung kann der Hausarzt oder der Facharzt ausstellen: „Unsere Aufgabe liegt darin, Faktoren, welche die Erkrankung auslösen bzw. aufrechterhalten, zu identifizieren. Dann kann der Zusammenhang zwischen den Belastungen, den damit verbundenen Gefühlen und den Reaktionen des Körpers hergestellt werden“, so die Primaria. Sind die Auslöser einmal erkannt, lernen die Patienten, damit umzugehen. „Es geht in der Psychosomatik nicht darum, dem Körper weniger, sondern der Seele mehr Beachtung zu schenken“, schließt Mühlbacher. „Dies gelingt an unserem Department in Grieskirchen durch ein modernes Konzept an vielfältigen Therapieverfahren.“ Ein Überblick über das gesamte Angebot ist online nachzulesen unter -> Medizin und Pflege -> Psychosomatik für Erwachsene.
Veranstaltungstipp
Klinikum-Wissensforum Fokus: Volkskrankheiten
Manche Beschwerdebilder sind in der Bevölkerung weit verbreitet und haben dadurch volkswirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Manche sogenannten Volkskrankheiten sind stark beeinflusst durch den persönlichen Lebensstil – etwa durch ungesunde Ernährung oder Bewegungsmangel. Beim „Wissensforum Fokus: Volkskrankheiten“ informieren die KlinikumExperten alle interessierten Besucher über weitverbreitete psychosomatische Erkrankungen, bedeutende Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes Typ 2, Prävention und Therapie von Arthrose u.v.m. Nach dem Vortragsprogramm stehen die Klinikum-Experten für individuellen Fragen und Anliegen der Besucher zur Verfügung.
Klinikum Wissensforum Fokus: Volkskrankheiten
Wann: 28. Februar 2024, 18:00 Uhr
Wo: Festsaal, Klinikum Wels-Grieskirchen
Mehr Infos zum Programm: www.klinikum-wegr.at
Stand: Jänner 2024