Endoskopie Harald Hofer

Der Darm und sein Mikrobiom

In seiner klassischen Rolle ist der Darm hochleistungsfähig in Verdauung und Immunabwehr. Neu zugeschrieben wird ihm immer mehr Bedeutung hinsichtlich Bauchgefühl und Mikrobiom. Heute weiß man: Geht’s unserem Darm gut, geht’s auch uns gut! Dabei übernimmt das Mikrobiom regelrecht den Stellenwert eines neuen Organs, welches Auswirkungen auf viele Aspekte der Gesundheit hat. Auch in Diagnostik und Therapie der personalisierten Medizin spielen die Erkenntnisse zum Mikrobiom möglicherweise eine bedeutsame Rolle.

 

„Ist der Darm nicht gesund, zeigt er uns das häufig durch Blähungen, Durchfälle und Verstopfungen“, erklärt Harald Hofer, Leiter der Abteilung für Innere Medizin I am Klinikum Wels‐Grieskirchen und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH). „Alarmzeichen sind Blut im Stuhl, ungewollter Gewichtsverlust oder Durchfälle über einen längeren Zeitraum, aber auch wechselnde Stuhlgewohnheiten. Dann sollte unbedingt eine Abklärung der Symptome erfolgen“, so der Experte.

Mikrobiom außer Balance

Unsere Darmflora ist in den letzten Jahren wissenschaftlich immer weiter in den Mittelpunkt gerückt. So spielt sie eine wichtige Rolle in Verdauung und Stoffwechsel, aber darüber hinaus auch in der Immunabwehr und Entstehung von Entzündungsprozessen. Als eigener Mikrokosmos wird sie von Experten beschrieben.

Prim. Univ. Prof. Dr. Harald Hofer

„Unter Mikrobiom versteht man die Gesamtheit aller Bakterien, die sich in unserem Darm aufhalten. Rund 100 Billionen Bakterien siedeln sich dort in der Regel an, wobei derzeit nur ein Teil der Bakterien gut charakterisiert ist.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Harald Hofer, Leiter der Abteilung für Innere Medizin I

 

 

„Untersuchungen zeigen, dass sich bei gesunden Menschen die Zusammensetzung der Bakterien, die sogenannte Diversität, in einem Gleichgewicht befindet, bei kranken allerdings die pathogenen Keime überwiegen können – diesen Zustand nennt man dann Dysbiose.“

So entsteht Dysbiose

„Aber ganz ohne Anlass gerät das Mikrobiom meist nicht aus dem Gleichgewicht“, erklärt der Spezialist für Gastroenterologie. „Lebensstil, wie Ernährungs‐ und Bewegungsverhalten, Medikamenteneinnahme sowie Umweltbedingungen haben Auswirkungen auf die Zusammensetzung der persönlichen Darmflora.“ Wenn die guten Bakterien kein ideales Lebensumfeld vorfinden, nimmt ihre Anzahl ab – dies wirkt sich unter anderem negativ auf Verdauung und Immunabwehr aus. Die Zahl der unerwünschten Keime hingegen steigt und das Mikrobiom kommt aus dem Gleichgewicht. So gibt es Hinweise, dass unterschiedlichste Krankheitsbilder, wie zum Beispiel chronisch‐entzündliche Darmerkrankungen, Übergewicht, Herz‐Kreislauf‐Erkrankungen und Allergien, Lebererkrankungen, aber auch psychische Krankheitsbilder und Depression, in der Entstehung oder deren Heilung durch das Mikrobiom beeinflusst werden. „Hier ist auf Basis erster faszinierender Forschungsergebnisse ein breites Forschungsfeld entstanden, wo wir derzeit sicher erst am Anfang stehen“, so Hofer.

Antibiotika im Visier

Bei bakteriellen Infektionen, wie zum Beispiel einem Harnwegsinfekt, erwirken Antibiotika‐Therapien in der Regel den Heilungsprozess. Neben der gewünschten Reduzierung der Krankheitserreger ergibt sich aber meist ein Nebeneffekt – die Anzahl und Vielfalt aller Bakterien wird minimiert, das Mikrobiom des Patienten ändert sich drastisch. So wird ein günstiges Milieu für Antibiotika‐resistente Erreger geschaffen, zum Beispiel für Clostridien. Die Folgen sind schwere Durchfälle, welche bereits während der Antibiotika‐Therapie, aber auch noch Wochen später plötzlich auftreten können. Wurden Clostridien als Durchfallursache nachgewiesen, müssen sie gezielt durch die Gabe eines anderen Antibiotikums behandelt werden.

Wie kann man das eigene Mikrobiom schützen?

Um einer Dysbiose und somit möglichen weiteren Erkrankungen vorzubeugen, sollte eine Antibiotika‐Therapie nur verordnet werden, wenn eine bakterielle Infektion nachgewiesen ist, und dann möglichst gezielt.

Prim. Priv.‐Doz. Dr. Rainer Gattringer

„Mit einem Antibiogramm testen wir die Empfindlichkeit der Erreger gegenüber Antibiotika. So ermitteln wir die am besten wirksame Therapie, welche die bakterielle Infektion rasch und effizient bekämpft und idealerweise nicht den Großteil aller Bakterienspezies vernichtet.“

Prim. Priv.-Doz. Dr. Rainer Gattringer, Leiter des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie, Infektiologie und Tropenmedizin

 

 

Neben Antibiotika‐Therapien können unter anderem auch weitere Medikamentengruppen, eine einseitige Ernährungsweise mit hohem Fett‐ und Zuckergehalt, Mineralstoffmangel sowie chronischer Stress die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern. Rationaler Einsatz von Antibiotika, eine gesunde Ernährung mit möglichst ausgewogener Mischkost sowie das Meiden von Fertigprodukten und einem Zuviel an Fruktose, welche zum Beispiel in sogenannten Softdrinks enthalten ist, helfen, das Mikrobiom im Gleichgewicht zu halten.

Geht’s dem Darm gut, geht’s dir gut

Auch wenn man sich wohl und gesund fühlt, darf Vorsorge nie außer Acht gelassen werden. In Österreich erkranken pro Jahr ca. 5.000 Menschen an Dickdarmkrebs, es handelt sich dabei also um eine der häufigsten Krebsformen. Durch eine prophylaktische Darmuntersuchung kann die Erkrankung nicht nur rechtzeitig diagnostiziert werden, sondern auch durch eine vorsorgliche Entfernung gutartiger Vorstufen den Ausbruch der Krebserkrankung überhaupt verhindern. Seit der Etablierung der Vorsorgekoloskopie hat sich in Österreich das Entstehen tausender kolorektaler Karzinome verhindern lassen. Die Darmspiegelung (Koloskopie) stellt eine sehr wichtige Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Darmkrebs dar. Sie wird sowohl am Klinikum‐Standort Wels als auch in Grieskirchen angeboten. Die Österreichische Fachgesellschaft für Magen‐Darm‐Erkrankungen hat das Klinikum Wels‐Grieskirchen wiederholt mit dem Qualitätszertifikat für die Vorsorgekoloskopie ausgezeichnet.