Zucker und Salz – Vom Luxusgut zum Risikofaktor
Eines ist klar: Zucker und Salz brauchen wir, um zu überleben. Über Zucker liefern wir unserem Gehirn Energie, andererseits reguliert Salz den Wasserhaushalt unseres Körpers, quasi den „Ozean in uns“. Aber es gilt: die Dosis macht das Gift. Ein langfristig zu hoher Zucker‐ oder Salzkonsum kann uns das Leben kosten. Ernährungsexpertin Kerstin Dopler und Blutdruckspezialist Thomas Weber vom Klinikum Wels‐Grieskirchen geben im ausführlichen Interview die Backgroundinfos darüber, was zu viel und was zu wenig ist.
In früheren Zeiten waren Salz und Zucker nicht für jeden zugänglich. „Salz war bis vor wenigen Jahrhunderten ein Luxusgut, schwer zu finden und zu reinigen“, erklärt Thomas Weber, Blutdruckspezialist am Klinikum Wels‐Grieskirchen. „Salz zum Haltbarmachen von Lebensmitteln erlaubte uns den Übergang als Gesellschaft vom Jäger zum Sammler.“ Heute brauchen wir aufgrund alternativer Methoden wie der Tiefkühlung das Salz nicht mehr, um Lebensmittel zu konservieren. Alles was süß ist, enthält Zucker. Dieser liefert dem Körper viel Energie – ebenfalls ein wesentlicher Überlebensvorteil für unsere Urahnen. „Honig wird schon seit eh und je genutzt“, sagt Klinikum‐Diätologin Kerstin Dopler. „Der Zuckerreichtum unserer Zeit kam aber erst im 18. Jahrhundert, nachdem entdeckt wurde, dass die heimische Zuckerrübe zur Zuckergewinnung genutzt werden kann.“
Wie kommt es, dass sich Salz und Zucker von etwas sehr Wertvollem in Risikofaktoren für unsere Gesundheit entwickelt haben?
Thomas Weber: „Während der ersten zwei Millionen Jahren lebten wir in einem durch Salzmangel gekennzeichneten Umfeld. Es war nötig, physiologische Mechanismen zur Konservierung des wenigen mit der Nahrung aufgenommenen Salzes – etwa ein Viertel bis ein halbes Gramm pro Tag – zu entwickeln. Es setzten sich Individuen durch, die das gut konnten. Die heutigen Lebensumstände in der westlichen Welt sind von Salzüberfluss gekennzeichnet, was gesundheitliche Probleme mit sich bringt. Unser Körper ist nicht imstande, die zwanzigfache Menge an Salz, die wir im Vergleich zu unseren Vorfahren aufnehmen, problemlos über die Nieren loszuwerden.“
Priv.-Doz. Dr. Thomas Weber
Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie und Intensivmedizin
Kerstin Dopler: „Bei Zucker handelt es sich um reine Energie, ohne Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe oder Ballaststoffe. In den Nachkriegsjahren war Zucker ein wichtiger Energielieferant, da die Menschen körperlich hart arbeiten mussten. Damals lag der durchschnittliche Zuckerverbrauch pro Tag bei rund 60 Gramm pro Person. 2021 war er um 22 Gramm höher. Bei unserem heutigen Lebensstil verbrauchen wir diese Energie aber nicht mehr.“
Mag. Kerstin Dopler, BSc
Diätologin am Klinikum Wels-Grieskirchen
Was passiert im Körper, wenn wir ihm langfristig (zu) viel Zucker und Salz zuführen?
Weber: „Die WHO sieht darin ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck und seine Folgeerkrankungen Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Herzschwäche. Aber auch Nierenschwäche oder Demenz treten bei verringerter Salzzufuhr seltener auf.“
Dopler: „Erhöhter Konsum von Zucker trägt zur Entstehung von Übergewicht, Karies sowie Diabetes mellitus Typ 2 bei und fördert Entzündungen im Körper.“
In welchen Lebensmitteln verstecken sich Zucker und Salz?
Weber: „Salz ist vor allem in Fertigprodukten, Schinken, Salami, Käse, pikanten Snacks und Nahrungsmitteln, die häufig verzehrt werden, wie Brot und Cerealien. Oft wird Salz auch beim Essen zugesetzt, über Salzstreuer, Fisch‐ oder Sojasoße.“
Dopler: „Viel Zucker steckt neben Süßigkeiten auch in Milchprodukten, Limonaden, Energydrinks, Fertigprodukten, Müslis, Soßen und sogar in Lebensmitteln für Kleinkinder. Ein Glas Limonade mit liefert durchschnittlich 15 Gramm freien Zucker – das sind fünf Stück Würfelzucker, bereits 60 Prozent der empfohlenen maximalen Tagesmenge.“
In Deutschland gibt es eine „Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten“. Gibt es auch in Österreich solche Initiativen?
Weber: „Die WHO zielt auf eine Reduktion der Salzaufnahme um 30 Prozent ab, bis 2025 würde das 2,5 bis 3 Millionen Todesfälle jährlich vermeiden. In Österreich gab es von 2011 bis 2015 eine Bäckerinitiative unter dem Motto ‚Weniger Salz ist gesünder‘, um den Salzgehalt der Backwaren um 15 Prozent zu reduzieren.“
Dopler: „Auch in Österreich gibt es Initiativen. Eine davon brachte die Reduktion des Zuckergehalts in Limonaden um ein Fünftel in den letzten zehn Jahren. Diese Maßnahme leistete einen Betrag zur Senkung des Zuckerverbrauchs von 109 Gramm pro Person und Tag im Jahr 2000 auf die derzeitigen 82 Gramm. Weitere Aktionen sind die zucker‐raus‐initiative und die Sipcan‐Initiative.“
Was wären hinsichtlich Prävention gute Pläne für die Zukunft?
Weber: „Da kann man viel tun. Auf politischer Ebene braucht es Vorgaben für salzärmere Produkte und finanzielle Maßnahmen, damit gesündere Produkte leistbar sind. Die Erzeuger von Fertiggerichten müssen von der Notwendigkeit salzärmerer Produkte überzeugt werden. Gleichzeitig muss die Awareness beim Konsumenten steigen, ein Blick auf die Kennzeichnung ist wichtig. Gesundheitserziehung beginnt am besten bereits in der Schule, Fokus auf ‚Richtig essen von Anfang an‘. Und der Einzelne kann viel für sich selbst beitragen: beim Kochen wenig salzen, kein Salzstreuer am Esstisch, wenig salzreiche Snacks und beim Einkaufen auf die Kennzeichnung achten!“
Dopler: Die Anpassung in Getränken zeigt, dass Zucker reduziert werden kann, ohne dass dies dem Verbraucher bewusst ist. Hier gibt es noch viel Luft nach oben. In der Zwischenzeit ist es wichtig, selbst ins Handeln zu kommen. Geben wir dem bewussten Kochen und Essen wieder mehr Raum!“
Stand: Dezember 2022